Gespräch mit Helmut Kraus, DESG-Cheftrainer Eisschnelllauf, nach dem ersten Tag des Eisschnelllauf-Weltcups in Hamar
Helmut Kraus, wie kommentieren Sie als Cheftrainer das Ergebnis der deutschen Damen?
(Lacht) Wollen wir nicht mit dem Positiven anfangen? Unsere Herren sind über 1500 Meter hervorragend gelaufen!
Stimmt, Jan Friesinger hatte sogar weniger Rückstand zum Sieger als seine Schwester Anni auf die Siegerin.
Naja, das sind Zahlenspielereien, es waren ja immerhin verschiedene Distanzen. Aber die Leistung von Jan, das steht außer Frage, war hervorragend, ebenso die von Jörg Dallmann und Christian Breuer, und das in einem 1500-m-Feld, das beim Weltcup selten zuvor so breit in der Spitze war, selbst in der B-Gruppe gab es 10 Läufer unter 1:50!
Aber in der Mannschaft waren die drei nicht im erhofften Medaillenbereich.
Ja, aber uneinholbar weit weg waren eigentlich nur die USA. Hier zeigt sich, was auch die jahrelange Erfahrung aus dem Rollschnelllauf bringt, wo ja immer im Pulk gelaufen wird. Dahinter kann viel passieren, wobei ich erwarte, dass sich die Holländer noch ganz vorn reinlaufen. Uns fehlte über die Distanz noch das Stehvermögen. Zwei, drei Runden waren sehr gut, dann kam der Abfall.
Warum hat das offizielle Ergebnis des Mannschaftsrennens so lange auf sich warten lassen?
Weil die vordere Schlittschuhspitze des dritten Läufers für die Zeit entscheidend ist, kann man die herkömmliche Zeitnahme mit Lichtschranke nicht verwenden. Die Zeitnahme erfolgt auf der Grundlage von Videos, das ist auch sehr genau, braucht aber seine Zeit.
Zu den Damen. Was sagen Sie zu den Zeiten der Kandierinnen?
Ja, sie haben die unsere Erwartungen, die wir nach den aus Calgary bekanntgewordenen Zeiten hatten, nicht nur erfüllt, sondern waren sogar noch schneller. Bei Anni und Claudia hat sich die Hoffnung, dass sie ihre gute Form von Berlin noch toppen können, nicht erfüllt, aber das ist kein Grund, den Kopf in den Sand zu stecken. Die Saison ist lang. Und an der Leistung von Daniela Anschütz und Katrin Mattscherodt gibt es nicht das Geringste auszusetzen.
Was war mit den Wechseln bei Anni?
Ja, es war tatsächlich schwierig für Anni, aber sie hat sich richtig verhalten, Hätte sie auf die mutmaßliche Vorfahrt bestanden, hätte sie eine mögliche Disqualifikation riskiert.
Werden wir morgen im Mannschaftsrennen der Damen das Dream-Team mit Anni Friesinger, Claudia Pechstein und Sabine Völker erleben?
Genau wissen wir es erst, wenn es soweit ist, aber nach dem jetzigen Stand: Ja. Ob aber in Abhängigkeit vom morgigen 1500-m-Rennen zu einer anderen Entscheidung kommt, kann man nie ganz ausschließen.
Anni Friesinger zu ihren Wechselproblemen mit Gretha Smit:“Wenn sie ein wenig das Gas rausnimmt, haben wir kein Problem, aber sie hat gegen gehalten. Ich hätte sie wahrscheinlich wegschubsen müssen, aber so etwas kann ich nicht. Nächste Woche beim Weltcup in Berlin kann es nur besser werden.”
Claudia Pechstein, die noch nicht den neuen Rennanzug trug: “Ich bin überhaupt nicht in den Rhythmus gekommen, das war nicht mein Tag. Was den Rennanzug betrifft, bin ich noch nicht völlig von dem neuen Material überzeugt. Da ich aber einen ordentlichen Lauf hinlegen wollte, habe ich noch einmal auf den alten Anzug zurückgegriffen. Leider ist meine Taktik nicht aufgegangen. Wir haben gesehen, dass auch die anderen Nationen gut trainiert haben.”
Jan Friesinger: “Ich war noch nie so schnell beim Saison-Einstieg, da kann ich wohl zufrieden sein.”
Oliver Stirnemann zum erneut verschobenen Saison-Einstieg von Gunda Niemann-Stirnemann: “Gunda hat jetzt 14 Tage ohne Schwierigkeiten trainieren können, aber die Form reicht einfach noch nicht, um über 3000 m mit der Weltelite mitzuhalten. Deshalb wird sie nicht wie geplant in der kommenden Woche in Berlin am Start sein.”
Gunda Niemanns Trainer Klaus Ebert: “Ihre Grippe hat doch mehr Substanz gekostet als ursprünglich angenommen. Die Form ist noch zu schwankend. Wir werden sehen, wie die nächsten Wochen ablaufen. Vielleicht nimmt Gunda auch erst den zweiten Weltcup-Block im kommenden Jahr in Angriff.”
Bei der Internationalen Alta-Valtellina-Trophy in Bormio (Italien) trifft sich traditionsgemäß acht Wochen vor den Europameisterschaften ein Großteil der europäischen Spitze, Diesmal sind Sportler aus 20 Nationen am Start, darunter Europameisterin Jewgenia Radanowa (Bulgarien) sowie Spitzenläufer aus Italien, Frankreich, Belgien, den Niederlanden und Großbritannien.
Auch in den Juniorenklassen, die in Bormio anders als bei der Star-Class-Serie streng jahrgangsgerecht besetzt werden, ist ein Teil der europäischen Spitze am Start. Während die deutschen Weltcupläufer diesmal mehrheitlich fehlen, weil die Staffeln in diesem Jahr höhere Priorität gegenüber den Einzelrennen haben, ist die DESG mit einer Junioren-Auswahl am Start, die sich ausgezeichnet schlägt.
Nach zwei Distanzen liegen bei den B-Junioren Tina Grassow und Robert Seifert (beide Dresden) jeweils in Führung, Selina Muxel (München) rangiert bei den A-Juniorinnen auf Platz fünf. Bei den C-Junioren liegen Dennis Walzer und Ulrike Wutzke (beide Mannheim) auf dritten Plätzen, Walzer sorgte zudem mit 44,974 Sekunden über 500 Meter für einen neuen Deutschen Rekord. Bei den Jüngsten (Junioren D) sind Nathalie Prescher (Dresden) und Jonas Kaufmann-Ludwig (München) ganz vorn dabei. In dem stark besetzten Feld der Seniorinnen (u. a. Radanowa, Zini, Bouvier, Lindsay, Williams, Windisch, Choi) gibt die derzeit nicht zum Weltcup-Aufgebot gehörige Susanne Rudolph (Grafing) eine gute Figur ab, sie liegt nach dem zweiten Tag auf Platz elf.