Pechstein: “Mit Silber glücklich” / Anschütz-Thoms verpasst Medaille knapp / Platz sieben für Shorttrackerin Kunze / Schlussfeier tolles Erlebnis
Einen versöhnlichen Abschluss nahmen die Eisschnelllauf- und Shorttrackwettbewerbe der Olympischen Winterspiele in Turin: Während nach einer spannenden 5000-m-Entscheidung Claudia Pechstein ihrem Mannschafts-Gold noch eine Silbermedaillehinzufügen konnte und Daniela Anschütz-Thoms als Fünfte trotz einer Weltklassezeit eine Medaille knapp verpasste, erlief am Abend Yvonne Kunze mit Platz sieben über 1000 Meter das beste deutsche Shorttrack-Einzelergebnis bisher bei Olympischen Spielen.
Die 5000 Meter der Damen boten an Spannung fast alles, was im Eisschnelllauf möglich ist. Schon Lucille Opitz als erste deutsche Starterin lieferte sich 11½ (von 12½) Runden einen packenden Zweikampf mit der Österreicherin Anna Rokita, konnte aber deren Tempo am Schluss nicht mehr mitgehen. Opitz’ 7:18,06 min waren Platz 14, eine Hundertstel an Platz 13 vorbei. “Klar ist eine Hundertstel immer ärgerlich, aber insgesamt bin ich mit den 5000 Metern zufrieden, auf jeden Fall lief es besser als über 1500 Meter”, sagte die Berlinerin.
Pechstein-Trainer Joachim Franke hatte vor dem Rennen prognostiziert, dass die Medaillen bei sieben Minuten plus-minus zwei Sekunden weggehen. Eine erste Orientierungsmarke in diese Richtung setzte im vierten Paar die Kanadierin Kristina Groves: 7:03,95. Den ersten Angriff auf diese Zwischen-Bestzeit startete im drittletzten Paar Daniela Anschütz-Thoms. Obwohl praktisch ohne Gegner laufend (die Niederländerin Carien Kleibeuker verlor schon in den ersten Runden den Anschluss und lag am Ende 130 Meter zurück), lief die Erfurterin ein starkes und gleichmäßiges Rennen, setzte sich mit der persönlichen Bestzeit von 7:02,82 an die Spitze und konnte sogar kurzzeitig von einer Medaille träumen
Doch es ging weiter Schlag auf Schlag: Cindy Klassen (Kanada) schraubte die Lingotto-Bestmarke auf 7:00,57 Minuten, und ihre Gegnerin Martina Sablikova (Tschechien), die noch zwei Runden vor Schluss mehr als fünf Sekunden hinter Klassen gelegen hatte, unterbot dank eines furiosen Finales mit 7:01,38 ebenfalls die Anschütz-Zeit. War das noch zu toppen? Es war. Auch im Schlusspaar lieferten sich die Kontrahenten einen spannenden Zweikampf: Claudia Pechstein und die Kanadierin Clara Hughes. Erst Hughes’ stärkere Schlussrunde gab den Ausschlag, womit sie als erste auf dieser Bahn unter sieben Minuten blieb (6:59,07) und den Olympiasieg holte. Mit 7:00,08 fügte Claudia Pechstein ihrer Team-Goldmedaille noch 5000-m-Silber hinzu, Bronze ging an Klassen.
Auch wenn Pechstein damit die historische Bestleistung von vier Winter-Olympiasiegen in derselben Disziplin knapp verpasst hat, war ihr nicht nach Trauern, sondern nach Feiern zumute. “Ich habe nicht Gold verloren, sondern Silber gewonnen”, sagte sie, “und ich bin sehr stolz, dass ich nun für vier weitere Jahre als erfolgreichste deutsche Winter-Olympionikin gelte.” Nach dem Rennen gratulierte u. a. NOK-Präsident Klaus Steinbach und brachte zugleich die Frage vor, ob Claudia Pechstein bei der Schlussfeier die deutsche Fahne tragen würde. “Da habe ich natürlich gern ja gesagt, denn das ist für mich eine große Ehre, das nach Lillehammer 1994 zum zweiten Mal tun zu dürfen.”
Trotz ihrer Weltklasseleistung reichte es für Daniela Anschütz-Thoms nur zu Rang fünf “Ich kann nicht sagen, dass mich diese fünfte Platz glücklich macht, aber das ist der Sport”, sagte die Erfurterin, “insgesamt kann ich aber nicht unzufrieden. Ich hatte das härteste Programm und habe es sehr gut bewältigt. Und ich bin Team-Olympiasiegerin.” Neben ihren Einzelstarts über 3000, 1500 und 5000 Meter hatte Anschütz-Thoms im Mannschaftswettbewerb als einige Läuferin alle vier Rennen bestritten. Ihr Trainer Stefan Gneupel: “Das ist natürlich schade, dass so eine Leistung nicht zu einer Medaille reicht. Mit einer anderen Gegnerin wäre vielleicht noch mehr drin gewesen. Aber Daniela hat hier gezeigt, wozu sie fähig ist. Ich glaube, das war im Eisschnelllauf noch nicht ihr letztes Wort.”
Jubel auch im Lager der Shorttracker: Yvonne Kunze kam über 1000 Meter ins Halbfinale, wo sie bei einem Sturz der Amerikanerin Kim die Nerven bewahrte und sich als Vierte sogar fürs B-Finale qualifizierte. Am Ende stand für sie mit Platz sieben das beste deutsche Shorttrack-Einzelergebnis bei Olympischen Spielen zu Buche. “Ich bin glücklich, dass ich da geschafft habe”, sagte Kunze danach, “der sechste Platz mit der Mannschaft war schon toll, aber das hier ist für mich die Krönung.”
Die deutsche Staffel hatte im “kleinen” B-Finale (2 Teams um Platz sechs und sieben) hingegen Pech. Das Quartett mit Arian Nachbar, Andre Hartwig, Thomas Bauer und Sebastian Praus lag über fast die gesamte Strecke in Front, doch dann stürzte Andre Hartwig und die Männer verloren dadurch eine Runde, die sie nicht mehr aufholen konnte. Auch für den Rostocker Arian Nachbar war im 500-m-Viertelfinale Schluss gewesen, er wurde auf dieser Distanz 13., Tyson Heung fand sich auf Rang 16 wieder.
Shorttrack der Extraklasse erlebten die wieder über 6000 Zuschauer im ausverkauften Palavela in den Endläufen. Über 500 Meter landete Apolo Ohno von der Innenbahn aus einen Start-Ziel-Sieg während Superstar Ahn Hyun-Soo (Südkorea) mit Bronze zufrieden sein musste. Die 1000 m der Damen gewann seine Landmännin Jun Sun-Yu, für die es die dritte Goldmedaille war. Auch Ahn wollte im Staffel-Finale seinen dritten Olympiasieg, doch die Kanadier lieferten den Asiaten einen harten Kampf, den Ahn erst auf der Schlussrunde für sich entscheiden konnte und damit zum erfolgreichsten Teilnehmer dieser Winterspiele wurde. Einen ähnlichen spannenden Kampf gab es um Platz drei, den schließlich die USA knapp vor den frenetisch angefeuerten Italiener für sich verbuchen konnten.
Die Abschlussfeier am Sonntag wurde für die deutschen Eisschnellläufer und Shorttracker, die mehrheitlich am Ausmarsch teilnahmen, darunter die Olympiasieger Claudia Pechstein (Fahnenträgerin), Lucille Opitz und Daniela Anschütz-Thoms, ein wundervolles Erlebnis. In der farbenfrohen und aufwendigen Inszenierung zwischen Sport und Karneval beeindruckten u. a. Starsänger Andrea Bocelli, Luftakrobaten und Tausende kostümierte Artisten. Vor und nach der Schlussfeier nutzten de Athleten aus aller Welt noch einmal die Gelegenheit, Kontakte zu knüpfen und Abzeichen zu tauschen – die inoffizielle neue Olympiadisziplin übrigens. Sogar einige Kleidungsstücke (Jacken, Mützen) wechselten die Besitzer – letzte Andenken an gut zwei Wochen mit abwechslungreichem, sportlich gutklassigem, spannendem und völkerverbindendem olympischen Geschehen in Turin.