Das war ein Rekord fast für die Ewigkeit: innerhalb von einer Woche stellten die amerikanischen “Skating Sisters” Brittany Bowe und Heather Richardson-Bergsma bei den ersten beiden Weltcup-Meetings fünf Weltrekorde auf. Mit Zeiten, von denen die meisten männlichen Eisschnellläufer träumen.
Bowe (27) holte sich in Salt Lake City in 1:12,18 Minuten die 1000- m-Bestmarke zurück, die sie in Calgary in einem Highspeed-Spektakel an Richardson-Bergsma (26) verloren hatte. Erst drückte Bowe ihren eigenen, ein Jahr alten Rekord: von 1:12,58 auf 1:12,54 Minuten. Fünf Minuten später war die Landsfrau um einen Wimpernschlag schneller: 1:12,51. Das motivierte Bowe einen Tag später so, dass sie über 1500 m den zehn Jahre alten Fabel-Weltrekord von Cindy Klassen (Kanada) von 1:51,79 auf 1:51,59 Minuten drückte.
Die beiden US-Amerikanerinnen, die fast gleich groß sind und sich mit ihren langen Mähnen, flüchtig gesehen, zum verwechseln ähnlich sehen, setzten auf ihrer Hausbahn, dem Utah Olympic Oval in Kearns, die Tempo-Ekstase fort. Das direkte Duell über 1500 m entschied Richardson-Bergsma in der Fabelzeit von 1:50,85 Minuten für sich. Auch Bowe blieb in 1:51,39 unter ihrem alten Weltrekord. Zum Vergleich: Norwegens Eisschnelllauf-Idol Johann Olav Koss wurde 1994 noch auf festen Kufen über 1500 m in 1:51,29 Minuten Olympiasieger. Amerikas Publikumsliebling Dan Jansen brauchte 1994 für 1000-m-Olympiagold 1:12,43 Minuten.
Brittany BoweDer US-Nationaltrainer Matt Kooreman war begeistert. “Unglaublich, wie sie sich gegenseitig pushen. Sie haben ein Niveau erreicht, das niemand vorher für möglich hielt. Es ist aufregend, daran beteiligt zu sein.“ Doch alle Superleistungen sollen nur Zwischenstationen auf dem Weg zu Olympia 2018 sein, wo das US-Eisschnelllaufteam wieder Meriten gewinnen will. Für die Amerikaner waren die medaillenlosen Spiele von Sotschi 2014 ein Drama. Heather & Brittany, hoch gehandelt, vergossen im Umkleideraum bittere Tränen.
Aus der Pleite zog Heather rigorose Konsequenzen. Sie zog im Sommer 2014 zu ihrem Verlobten, 10.000-m-Olympiasieger Jorrit Bergsma nach Aldeboarn in Friesland. Im Mai 2015 läuteten die Hochzeitsglocken. Richardson schloss sich seinem Profiteam Clafis unter Trainer Jillert Anema an. Damit verunsicherte sie ihre langjährige Trainingskameradin, Konkurrentin und Freundin Brittany mit der sie sich in Park City eine Wohnung geteilt hatte.
Beim nicht-olympischen Inline-Speed Skating sammelte das schnelle Duo schon als Junioren Weltmeistertitel im Team mit Joey Mantia. 2007 war Richardson zum Eisschnelllauf gewechselt. 2010 reiste sie bereits zu den Olympischen Spielen nach Vancouver. Während Bowe und Mantia in ihrem Heimatort Ocala/ Florida vor dem Fernsehgerät staunten. Und neben Heather auch ihren ehemaligen Inline-Kollegen Chad Hedrick übers olympische Eis flitzen sahen. Das elektrisierte. Beide zogen nach Salt Lake City und benötigen drei Jahre bis zu ihrer olympischen Premiere. Und in der nach-olympischen Saison triumphierte die Soziologin mit drei WM-Titeln: Sprint, 1000 m und 1500 m. Heather holte damals “nur” Gold über 500 m.
Im Sommer 2015 schlossen sich Bowe und Mantia dem neustrukturierten Profiteam Stressless von Bart Veldkamp an, der ersten Eisschnelllauf-Formation, die aus ursprünglichen Inlineskatern besteht. Die Ex-Inline-Weltmeisterin Desley Hill (Australien) fungiert als Cheftrainerin. Bowe und Mantia trainieren überwiegend mit dem US-Team – und phasenweise mit Hill.
“Früher trainierten Heather und ich immer zusammen. Jetzt tasten wir uns im Wettkampf ab. Jagen uns so gegenseitig an unsere Leistungsgrenzen“, beschreibt Bowe die veränderte Situation. Der US-Verband hat keine Probleme damit, dass einige Sportler von ausländischen Teams gesponsert werden. “Wir sind glücklich, wenn sie in den Niederlanden trainieren. Die Sportler haben dort viele Freiheiten. Es wird offen kommuniziert. Und wenn ich sie brauche, kommen sie zu mir”, sagt US-Coach Kooreman. Jetzt geht es nach Inzell.
(Christiana Mansfeld für DESG-Presse)