Auf der heutigen Mitgliederversammlung der DESG in Frankfurt am Main wurde Matthias Große erwartungsgemäß mit einer Mehrheit von 80,45% (70 Ja / 5 Nein / 12 Enthaltungen) zum neuen Präsidenten des schwer angeschlagenen Eislaufverbandes Verbandes gewählt. Der Berliner Unternehmer kann somit ab sofort das oft bemühte Wort „kommissarisch“ aus seiner Titelbezeichnung streichen.
Der bei vielen wegen seiner Art des Auftretens umstrittene Große hatte in den vergangenen Monaten einen, für die DESG beispiellosen, Wahlkampf gestaltet. Ein Schwerpunkt dieses Wahlkampfes lag in der Schaffung von Tatsachen und Strukturen, wobei zahlreiche neue Positionen, von der Hygienebeauftragten, eines Datenschutzbeauftragten oder technischen Direktors bis bin zu Performance Managern und eines Good Governance Beauftragten geschaffen und besetzt wurden. Ein Bundestrainer und Sportdirektor wurden dann auch gleich einmal gefeuert, wobei vor allem seine Entscheidung zum Bundestrainer bei den Sportlern auf Unverständnis und Ablehnung stieß.
Ein weiterer Schwerpunkt, und dieser dürfte die meisten Wahlberechtigten überzeugt haben, ist das Versprechen alle Probleme mit Geld zu lösen. Hierbei wurde dann auch schon mal eine Toilette angeschafft oder einem Landesverband die Sanierung der Eislaufbanden in Aussicht gestellt (immerhin eine Investition von ca. 250T EUR). Aber auch die Sportler sollen nicht zu kurz kommen und so wurde eine symbolische Prämie in Höhe von 5000 EUR für die Qualifikation zu den olympischen Spielen ausgelobt. Auch das Transportproblem wurde mit Bussen „auf Abruf“ gemildert. Zudem soll er nach eigenen Angaben bereits 250.000 Euro zur Verbesserung der Trainingsmöglichkeiten in die Infrastruktur des Verbandes investiert haben.
Das alles macht natürlich auf den ersten Blick Eindruck und verfehlt nicht seine Wirkung – in einem Verband, der die letzten 15 Jahre im Dornröschenschlaf verbrachte, in Erinnerungen an vergangene glorreiche Zeiten schwelgte und de facto vor dem endgültigen Niedergang stand. Da spielte es dann auch offensichtlich keine Rolle, dass man den Großsponsor, die B&O-Gruppe, direkt an seine Wahl knüpfte oder zahlreiche personenbezogene Abhängigkeiten schaffte.
Ungeklärt bleibt bis dato allerdings die Frage: wie Geld den Niedergang der Sportart in Deutschland an sich stoppen soll? Im Fußball kann man sich jederzeit neue Spieler mit Geld einkaufen. Dies ist jedoch weder im Eisschnelllauf noch im Shorttrack möglich, da der Nachwuchs mit einem internationalen Leistungsniveau einfach nicht ausreichend vorhanden ist und dabei nützt leider auch alles Geld der Welt nichts.
Generell kann man natürlich sein Vorgehen aus unternehmerischer Sicht sehr leicht nachvollziehen – ein Geschmack von Erpressung oder Nötigung (das er selber ja als [sic] „Was ich mache, ist eine Wohltat“ bezeichnet) bleibt dennoch – hatte der Verband de facto auch keine andere Wahl.
Unbestritten ist, dass der 52-jährige Große mit seinen begonnenen (auch teils populistischen) Maßnahmen jahrelange Versäumnisse, die noch aus Zeiten eines Gerd Zimmermanns, eines Gerd Heinzes und einer Stefanie Teeuwen stammen, aufzuräumen hat und dem Verband neues Leben eingehaucht.
Dabei versteht es der Berliner durchaus mit seinem Auftraten und seiner Art frei reden zu können, Leute für sich einzunehmen. Eigentlich klingt alles zu schön um wahr zu sein, wäre da nicht auch die andere Seite des Herrn Große. Diese kommt immer dann zum Vorschein, wenn Kritik geäußert wird oder Dinge gegen seinen Willen laufen. Dann werden schwere Geschütze aufgefahren. Dies durften u.a. der Athletensprecher Moritz Geisreiter (der mit seiner Kritik und seinen Zweifeln bei weitem nicht, wie von Herrn Große kommuniziert, allein dasteht) oder auch die Redaktion der Süddeutschen Zeitung erfahren. Da wird dann auch schon einmal mit diffamierenden Methoden gearbeitet, um Kritiker mundtot zu machen, anstatt sich konstruktiv mit ihnen auseinanderzusetzen. (Anm.d.Red. auch SpeedSkatingNews ist durch teils beleidigende Kommentare durch ihm nahestehende Personen leider nicht verschont geblieben. Scheinbar gibt es heutzutage nur mehr ein „dafür“ oder „dagegen“. Schade eigentlich!).
Auch wenn sich der Unternehmer im zurückliegenden Wahlkampf überwiegend moderat verhielt, gab es immer wieder diese kurzen Momente, wo ein anderer (und vielen aus den letzten Jahren wohlbekannter) polternder und aggressiver Matthias Große zum Vorschein kam. Daher dürfte jetzt, wo die Wahl abgeschlossen ist und es niemanden mehr zu „überzeugen“ gilt, interessant sein zu beobachten, wie sich der neue Präsident in den nächsten Monaten verhält. Oder anders ausgedrückt: es wird sich zeigen müssen was reiner Wahlkampf bzw. was Wahlkampfversprechen waren und welche Aussagen Bestand haben werden.
Im Spiegel Interview sagt Matthias Große kürzlich „Wer das Geld gibt, der bestimmt auch“. Diese Aussage ist in der freien Wirtschaft auch zu 100% korrekt, jedoch gibt es dort auch keine Sportfördermittel durch den Bund. In jedem Fall muss der Verband jetzt erstmals seit seinem Bestehen lernen mit den daraus resultierenden Konsequenzen zu leben lernen.
Eines muss jedem klar sein: Matthias Große ist in erster Linie Unternehmer (was er auch immer wieder selbst betont)! Und wie jeder gute Unternehmer wird er nichts ohne ein persönliches Ziel oder ohne seinen Vorteil tun. Ein altruistisches Verhalten, das Verbandswohl um des Verbandswohl willen, oder Geschenke ohne entsprechende Gegenleistungen werden dabei wohl nicht dazu gehören.
Eine weitere Konsequenz aus diesem Umstand dürfte sein, dass es im Verband kaum mehr demokratische Entscheidungen oder offenes kritisches Hinterfragen an „präsidialen Entscheidungen“ geben wird. Denn, sollte der Verband irgendwann einmal Matthias Große die Gefolgschaft verweigern, ist das Sponsorengeld (das ja an seine Person gebunden ist) als auch sein immer wieder erwähntes „Netzwerk“ weg. Das Resultat wäre eine noch dramatischere Situation als die augenblickliche. Dies ist der Nachteil einer autokratischen Führung.
Zudem riefen einige seiner Aussagen Transparency Deutschland auf den Plan. So sagte die Sportexpertin Sylvia Schenk dazu: „Wer wie Matthias Große im Spiegel-Interview den Eindruck erweckt, ein deutscher Sportverband sei käuflich und man müsse nur genug Leuten Pöstchen geben, damit ihn alle wählen, untergräbt die demokratische Struktur im deutschen Sport. Das steht in eklatantem Widerspruch zu den Werten, auf die sich der DOSB und seine Mitgliedsorganisationen immer berufen. Hinzu kommt die Tatsache, dass ein Präsident, der zugleich der Lebensgefährte der bekanntesten Athletin ist, in einem unlösbaren Interessenkonflikt steht. Good Governance ist ein ausdrückliches Kriterium für die Spitzensportförderung des Bundes – dieses offensichtliche Defizit an Führungskultur sollte Anlass für eine Überprüfung der Mittelvergabe an die DESG sein.“
Es wird daher interessant sein zu beobachten ob und wie sich der gewählte Präsident in Bezug auf die sportliche Personalie Claudia Pechstein verhalten wird. Sie, als auch Herr Große, hatten in den vergangenen Jahren regelmäßig für zusätzliche Unruhe im Verband gesorgt. Am Ende wird er den Erfolg seiner Präsidentschaft auch an diesem Punkt messen lassen müssen.
Mit der heutigen Wahl hat sich der Verband in die Hände eines Einzelnen ausgeliefert. Dies kann eine Chance sein, birgt jedoch auch ein sehr schwer kalkulierbares Risiko für die gesamte Sportart in Deutschland.