Die Mannschafts-Olympiasiegerin und dreifache Weltcupgewinnerin 2006 (1000 m, 1500 m, Team) im Gespräch mit der Mallorca-Zeitung / Interview: Sandra Müller
Anni Friesinger (29) ist eine der erfolgreichsten deutschen Eisschnellläuferinnen. Ihr Lebensgefährte ist der niederländische Eisschnellläufer Ids Postma. Auch ihre Eltern – ihr Vater starb, als sie 19 war – und ihre Geschwister Jan und Agnes sind Eisschnellläufer. Gerade verbrachte sie mit ihrem Bruder und den Olympiasiegern Gianni Romme und Bob de Jong eineinhalb Wochen im Trainingslager in Can Picafort an der Ostküste Mallorcas, um sich mit Rennradfahren und Laufen auf die kommende Saison vorzubereiten.
Wie lautet Ihre Bilanz nach der Olympiasaison?
Es war eine sehr, sehr erfolgreiche Saison. Gut, ich habe mir natürlich eine Einzel-Goldmedaille gewünscht. Aber ich habe zwei Medaillen geholt, Gold mit der Mannschaft und Bronze, aber eigentlich glänzt sie wie eine goldene. Ich darf mich nicht beklagen, ich hätte auch ohne Medaille nach Hause gehen können.
Hat sich Ihr Verhältnis zu Claudia Pechstein nach dem Teamgold verändert?
Es ist entspannter geworden, wir sind eben auch gereift. Damals (zurzeit des so genannten “Zickenkriegs”, Anm. d. Red.) ging es echt ans Eingemachte, und das hat mich eher gestresst. Aber das ist vorbei. Vor vier Jahren wäre das gemeinsame Gold undenkbar gewesen. Das Spannende ist, dass wir, die als Einzelkämpferinnen bekannt sind, uns zusammengerauft haben.
Wie kamen Sie überhaupt zum Eisschnelllauf?
Meine Eltern haben sich darüber auch kennengelernt. Mit sieben Jahren habe ich gesagt, das finde ich schöner als Skifahren. Mit den Erfolgen wuchs auch der Ehrgeiz, und nach dem Abi wollte ich das professionell machen. Ich habe sogar mein Innenarchitektur-Studium aufgegeben, ich konnte nicht beides auf Topniveau betreiben.
Gibt es etwas, was Sie nach Ihrer Karriere ausbauen wollen?
Jaaa! Ich will auf keinen Fall Trainerin werden. Ich glaube, ich wäre sehr hart und hätte mit meinen Schützlingen wahrscheinlich nicht genug Geduld. Ich würde sie immer mit mir vergleichen. Außerdem bin ich gesättigt. Ich habe so früh mit Eisschnelllauf angefangen und habe auch so viel dafür gegeben, jetzt muss etwas anderes kommen, etwas Kreatives.
Sie haben gesagt, Menschen müssen bei Ihnen den “Augentest” bestehen. Was meinen Sie damit?
Die Augen sind der Spiegel der Seele. Wenn ich jemanden nicht leiden kann, kann ich ihm auch nicht in die Augen gucken. Mein Freund zum Beispiel hat wunderbare, charismatische Augen.
Liebe auf den ersten Blick?
Mir hat seine ganze Erscheinung gefallen. Es gab Ons and Offs. Wir haben uns sehr jung kennengelernt, ich war 19 Jahre alt, das ist ja die Sturm- und Drang-Zeit. Aber wir konnten halt doch nicht ohne einander.
Ein Grund für die Trennung zwischendurch war ja auch, dass Sie sich zu wenig sahen. Ist das jetzt anders?
Es ist immer noch schwierig, aber ich habe jetzt das Geld, um zu ihm zu fliegen. Er ist mein Seelenverwandter, und wir sind happy zusammen. Er versteht, weshalb ich wegen mancher Kleinigkeit ausflippe.
Zum Beispiel?
Wenn vom Material etwas nicht passt. Ich bin Perfektionistin, und wenn da ein kleines Schräubchen nicht funktioniert, kann ich wahnsinnig werden. Ids hilft mir auch, meine Technik zu verbessern, und motiviert mich, wenn es einmal nicht so gut läuft. Aber er ist auch Landwirt, wenn ich ihn besuche, ist das ein bisschen wie Urlaub, eine andere Welt. Da ist meine Altbauwohnung in Salzburg ein echter Gegenpol.
Wieso sind Sie nach Salzburg gezogen?
Ich habe in Inzell eine superschöne Jugend verbracht, aber das ist ein 4000-Seelen-Dorf. Als ich bekannter wurde, konnte ich mich dort nicht mehr frei bewegen. Es war nicht mehr schön. Ich wollte nicht, dass der Urlauber mich gleich mitbucht.
Was schätzen Menschen an Ihnen, die Sie gut kennen?
Ich denke, meine Spontaneität und die Ehrlichkeit. Wenn mir etwas nicht gefällt, sage ich das ziemlich klar. Ich bin auch hilfsbereit. Wenn ein Freund ein Problem hat, kann der mich auch nachts um drei anrufen. Und ich bin immer wieder für Überraschungen gut.
Was ist Ihre größte Stärke?
Mein Dickkopf. Also Durchhaltevermögen, Zielstrebigkeit. Natürlich ist das auch eine Schwäche.
Sie haben ja auch schon einige Schicksalsschläge in Ihrem Leben verkraften müssen, gelten aber als sehr fröhlicher Mensch. Hängt das zusammen oder ist das ein Widerspruch?
Ich will mich nicht runterziehen lassen. Ich versuche, solche Situationen als Prüfungen zu sehen, die mich stark werden lassen. Du lernst Leute kennen und du lernst, auf Leute zu verzichten, du lernst aus Krisen mehr als aus Erfolgen.
In Ihrem Buch erklären Sie, dass Sport und Erotik für Sie unbedingt zusammengehören. Inwiefern?
Unsere Sportart ist sehr ästhetisch, elegant und hat auch einen erotischen Touch. Die Anzüge sind sehr eng, man sieht wirklich alles. Auch unsere Jungs haben so athletische Körper, sie sind einfach schön anzuschauen. Die Mädels natürlich auch.
Das Interview erschien im Mai in der Mallorca-Zeitung. Leicht gekürzte Veröffentlichung auf desg.de mit freundlicher Genehmigung der Autorin Sandra Müller – Originaltext
Foto: Lars Hagen – Alle Rechte beim Bildautor
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Homepage von Anni Friesinger: https://www.anni-friesinger.de/